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9. Diskussion des Abschlußmodells
9.1. Diskussion und Interpretation der Modellstruktur
In Kap. 7 zeigte sich, daß die 2D-Modellierung mehr Freiheitsgrade für das Modell offen läßt als die 3D-Modellierung. Vorteilhaft an 2D-Modellen ist, daß sie sich relativ schnell herleiten lassen. Ein Nachteil der 2D-Modelle sind die nicht einbezogenen Effekte seitlich nahe liegender Strukturen (Seiteneffekte). Der Nachteil der 3D-Modellierung ist die Schwierigkeit, ein passendes Modell zu finden, das der Schwere flächenhaft genügt. Aber dies ist auch gerade die Herausforderung und damit auch gleichzeitig der Vorteil des 3D-Modellierens. Dadurch, daß die Variationen durch die 3D-Modellierung gegenüber der 2D-Modellierung deutlich eingeschränkt sind, liegt eine größere Aussagekraft des Modells vor.
Die Vergleichsschwere stellt keine gemessene Schwere dar. Sie ist vielmehr aus gemessenen Daten durch verschiedene "Processing"-Schritte abgeleitet worden (vgl. Kap. 6.). Für die regionale Bouguerschwere wurde der Grad 9 der Tschebyschev-Approximation gewählt. Diese Darstellung repräsentiert eine Form der mathematischen Beschreibung des regionalen Schwerefeldes. Gerade diese Darstellung zeigt zum einen das Hot-Spot-Zentrum und zum anderen die längsgerichtete Schwellenform.
Die für das Modell gewählten Dichten können natürlich leicht verändert werden. Um die Anomalien zu modellieren, würden andere Dichten durch die Modellierung einer anderen Geometrie teilweise kompensiert werden können. Es stellt sich dabei die Frage nach der sinnvollen geologischen Konzeption der Modellkörper. Das Programmsystem IGAS ermöglicht z. B. die Ermittlung von idealen Dichten zu einer vorgegebenen Geometrie, um die optimale Anpassung zu erreichen. Diese Dichten sind jedoch oft physikalisch unsinnig und damit nicht in das Modell integrierbar. Die Modellierung sollte sich an bestimmten Vorgaben möglichst halten, da es hier darum geht, herauszufinden, ob es überhaupt eine mit der Theorie vereinbare Lösung gibt. Das Finden einer qualitativen Evidenz für die Mantel-Plume-Struktur freilich stellt jedoch nicht den Beweis für die Existenz der Mantel-Plume-Struktur dar.
Nach Li und Spohn (1991) hätte man innerhalb des Mantel Plumes die um
-0,02 g/cm3 verminderte Dichte lediglich für einen 40 km dicken Raum in der Sublithosphäre ansetzen können. Außerdem müßte die relative Dichteänderung der Lithosphäre nach Li Yinting (persönliche Diskussionen) maximal -0,01 g/cm3 betragen. Diese Werte, das zeigen die obigen Rechnungen der Schwere und des Geoids, können jedoch bei weitem nicht die Bougueranomalie liefern. Entweder liegen die Dichtekontraste wesentlich höher (wie hier modelliert), oder aber es gibt noch unbekannte Parameter, die unberücksichtigt geblieben sind. Möglicherweise ist die Lithosphäre auch in horizontaler Richtung chemisch komplexer aufgebaut als bisher angenommen, so daß es dadurch zusätzlich zu einer Verstärkung der Schwellenbildung kommt.
Nach dem "lithospheric reheating"-Modell von Crough (1978) erwärmt und erodiert der Mantel Plume die untere Lithosphäre (vgl. Abb. 54d in Kap. 7.1.). Dabei wird die erodierte Lithosphäre durch leichteres (heißeres) Asthenosphärenmaterial ersetzt, das die Schwellentopographie kompensiert. Der Bereich hierdurch betroffener Lithosphäre wird jedoch von den meisten Autoren, z. B. Ribe und Christensen (1994), die jedoch Probleme mit dem Geoid einräumen, als sehr klein im Vergleich zur Dicke der Lithosphäre angesehen. Crough (1983a) schließt die Möglichkeit großer Alteration der Lithosphäre nicht aus, wie diese im 3D-Modell zur Erklärung insbesondere des hinteren Teils der Schwellenanomalie erforderlich wird.
Der Mantel Plume wechselwirkt nach dem 3D-Dichtemodell mit der Lithosphäre sowohl "kurzfristig" als auch "langfristig". Einerseits kommt es unmittelbar über dem Aufstiegsbereich relativ "kurzfristig" bereits zu vulkanischen Erscheinungen, die möglicherweise auf durch die Auftriebskraft des Plumes entstandene Schwächezonen in der Kruste, die sich über dem Plumezentrum häufen, zurückzuführen sind. Andererseits erfolgt überdies relativ "langfristig" ein sich weiter ausdehnender Aufheizungsprozeß der gesamten, im Einflußbereich des Plumekopfes liegenden Lithosphäre. Dieser Effekt läßt sich mitunter mit der Ausbreitung von Schwingungen und Wellen vergleichen. Danach haben die tieffrequenten Signale eine große Reichweite, die hochfrequenten Signale eine geringere Reichweite. Diese Analogie stimmt, wenn man die Ausbreitung der Plume-Lithosphären-Wechselwirkung mit tieffrequent (im weiteren Sinne für langsam dauernd) und den Aufstieg vulkanischer Schmelzen mit hochfrequent (im weiteren Sinne für relativ schnell) identifiziert. Auch bezüglich der Reichweite gilt der Analogieschluß. Hier hat der Aufstiegskanal der vulkanischen Schmelzen kleine, vernachlässigbare Dimensionen, während die alterierte Lithosphäre regionale Ausdehnungen aufweist. Für den schnellen Aufstieg vulkanischer Schmelzen, ohne daß es erst zu einer größeren regionalen Beeinflussung der Umgebung kommt, sprechen auch Ergebnisse nach Linde et al. (1993). Danach stieg das Magma des isländischen Hot-Spot-Vulkans Hekla innerhalb von 30 Minuten vier Kilometer bis zur Oberfläche auf.
Dadurch, daß im Falle von Hawaii sich die pazifische Platte mit etwa 10cm/Jahr über den Mantel Plume hinwegbewegt, findet insbesondere der "langzeitige" regionale Prozeß räumlich verschoben statt, d. h. der maximale Effekt alterierter Lithosphäre deckt sich nicht mit dem Plumezentrum, sondern ist dort zu verzeichnen, wo der Plume bereits seit längerem die Lithosphäre beeinflußt. Darauf wies auch bereits Sleep (1987b) hin (vgl. Kap. 8.1.2.). Dies erklärt sowohl die Wellenlänge als auch die Amplitude der exzentrisch über das Plume-Zentrum angeordneten Hawaii-Schwelle. Diese Schwellenform kann nicht durch die Plattenbewegung allein erklärt werden. Das wäre nicht mit dem rapiden Anstieg an der Front der Inseln vereinbar. Außerdem müßte sich das Plumezentrum im Bereich des Maximums der Schwellenamplitude befinden, was auch nicht der Fall ist.
Neben den im nachfolgenden Kapitel 9.3. abgeleiteten wichtigsten Schlußfolgerungen können die folgenden Überlegungen zur Struktur des Mantel-Plume-Hot-Spots von Hawaii angeführt werden. Der Hawaii-Hot-Spot, durch die im ersten Teil der Arbeit herausgestellte isolierte Stellung abseits von Fremdeinflüssen anderer Tektonik, eignet sich zur Beschreibung elementarer Mantel-Plume-Hot-Spot-Prozesse. Jedoch weist Wessel (1993) daraufhin, daß die signifikantesten topographischen Formen entlang der Hawaii-Kette in den Schnittpunkten von Fracture-Zonen liegen. So liegt der Bereich der Insel Hawaii im Schnittpunkt mit der Molokai-Fracture-Zone (vgl. Abb. 33 in Kap. 5.2.). Außerdem liegt der vielfach genannte Bereich im hinteren Teil der Schwelle, wo die zweite Anomalie auftritt, im Schnittpunkt mit der Murray-Fracture-Zone (vgl. Abb. 33 in Kap. 5.2.). Solche Störungen stellen Bereiche erhöhter "Verletzbarkeit" der Lithosphäre dar. Die Verletzbarkeit der Lithosphäre durch Schwächezonen ist jedoch in der Darstellung in Kap. 3.3.2. nicht berücksichtigt worden und kann daher damit nicht verglichen werden. Die Mantel-Plume-Hot-Spot-Tätigkeit von Hawaii wird somit möglicherweise von anderen tektonischen Prozessen (hier durch passiv vorhandene Störungszonen ausgelöste Prozesse) überlagert. Der Einfluß eines Mantel Plumes und einer Plume-Lithosphären-Wechselwirkung führt hier zu mehr Dekompressionsprozessen als anderswo entlang der Hawaii-Kette. Es findet gewissermaßen eine Störungsresonanz statt.
Eine weitere Erklärung für die langgestreckte Form der Schwelle mit Haupt- und Nebenminimum stellt möglicherweise eine Mantel-Plume-Tätigkeit "in Schüben" dar. Danach ist der Mantel Plume "zerrissen", und es kommen einzelne "Blobs" nach z. B. Herrick und Phillips (1990) an der Untergrenze der Lithosphäre an. Whitehead (1982), Olson und Singer (1985) und Olson und Nam (1986) zeigen auf, daß ein Plume, der um mehr als 30 Grad (durch Strömungen) geneigt ist, in einzelne Tropfen (Blobs) zerfällt. Auch dieser Vorgang würde durch das 3D-Modell erfaßt sein. Dann wäre der vordere Teil der Schwelle mit einem neuen Blob und der hintere Teil der Schwelle mit einem älteren, abklingenden Blob zu identifizieren. Diese Theorie schließt aber dennoch eine Verstärkung des Vulkanismus durch eine Wechselwirkung mit den genannten Fracture-Zonen nicht aus. Daneben kann die Plume-Verdickung auch eine abwärts gerichtete Plume-Strömung nach Abb. 40c darstellen.
Die Lithosphären-Asthenosphären-Grenze im ozeanischen Milieu trennt kühles, dichteres Material im Hangenden von heißerem Material der Asthenosphäre im Liegenden. Da das asthenosphärische Material eine geringere Dichte als die kühlere Lithosphäre aufweist, ergibt sich eine Dichteinversion. Entlang dieser Dichteinversion, die ich mit "Asthenopause" bezeichnen möchte, breitet sich das Mantel-Plume-Material pilzförmig aus. Dieser Prozeß kann auch an der Tropopause in der Troposphäre bei der thermischen Entwicklung von Cumulunimben beobachtet werden. Ohne die Asthenopause gäbe es keinen ersichtlichen Grund, warum das Mantel-Plume-Material nur lokal in Form von Vulkanismus bis zur Oberfläche durchdringt und sich ansonsten pilzförmig seitlich ausbreitet (vgl. auch die Viskositätsbetrachtungen nach Li Yinting et al. (1983) in Kap. 5.4.1.). Der ähnliche Prozeß kann im übrigen auch an der bzw. über der Tropopause beobachtet werden, wenn die Energie einer Cumulunimbuswolke dazu ausreicht.
In diesem Sinne darf durch die vergleichende Beobachtung vermutet werden, daß viele potentielle vulkanische Aktivitäten nicht bis zur Oberfläche durchgedrungen sein mögen. Dies weist auf einen möglichen komplexeren Aufbau der Lithosphäre nicht nur in der Kruste, sondern auch in ihren unteren Schichten, hervorgerufen durch "steckengebliebene" Plume-Lithosphären-Wechselwirkungen, hin.
9.2. Isostatische Überlegungen mit Hilfe der Massensummation
Zum Abschluß der Analyse des 3D-Modells sollen an dieser Stelle die isostatischen Verhältnisse beleuchtet werden. Da eine isostatische Schwerereduktion durch die flächenhafte Erfassung des Gebietes sehr aufwendig ist und ferner die isostatische Anomalie nicht hypothesenfrei ist, wurde die Methode der Massensummation nach Janle (1973) gewählt. Zur Berechnung der Massensumme wird neben den in Abb. 72 dargelegten Modellstrukturen die Bathymetrie benötigt. Da das 3D-Dichtemodell im wesentlichen Strukturen, die regionale Größenordnungen aufweisen, enthält (vgl. insbesondere Abb. 73f), wird dem 3D-Modell die regionale Bathymetrie nach Abb. 53b zur Bildung der Massensumme zugeordnet. Nimmt man an, daß in Entfernungen von 1000 km beiderseits der Schwelle ungestörte Zustände vorherrschen, lassen sich die Gebiete im Bereich des Hot Spots und der Schwelle relativ dazu einordnen. Die Massensumme für die entfernteren ungestörten Gebiete zeigt die in Abb. 74 gestrichelte Linie. Diese dient somit als Bezugsmasse. Es ergeben sich für die Profile nach Abb. 74 folgende Ergebnisse:
Beim Vergleich der einzelnen Profile nach Abb. 74 fällt zunächst auf, daß die Massensumme bei Abb. 74a und Abb. 74b sehr ausgeglichen ist, bei Abb. 74c und Abb. 74d hingegen Bereiche großer Massenüberschüsse auftreten. Die Bathymetrie nach Abb. 53b zeigt die Hawaii-Schwelle in ihrer langgestreckten Form. Dabei wird die Form der Schwelle durch Störungen südlich der Schwelle (insbesondere im westlichen Teil des Untersuchungsgebietes) sowie nordwestlich der Schwelle beeinflußt. Das 3D-Dichtemodell nach Abb. 72 zeigt im großen und ganzen einen achsensymmetrischen Aufbau, um die Ursachen für die Form der Schwelle zu modellieren. Danach sind Störungen nicht bzw. nur im Ansatz durch kleine angenommene Asymmetrien (vgl. Abb. 72) mit in das Modell integriert worden. Nicht berücksichtigte Störungen zeigen sich z. B. in Abb. 72m und Abb. 73b. Dort liegt keine Anpassung der Modellschwere an die Vergleichsschwere vor. Die Bereiche, in denen in Abb. 74 die deutlichen Massenüberschüsse auftreten, sind die durch das 3D-Modell nicht erfaßten Störungen der Schwellengeometrie. Damit erklären sich die Massenüberschüsse durch im Rahmen der Hot-Spot-Betrachtung nicht betrachtete und damit durch das Modell nicht kompensierte Gebiete. Diese Massenüberschüsse entziehen sich somit einer Interpretation mit Hilfe der Ergebnisse durch das 3D-Modell.
Abgesehen von den bereits diskutierten Massenüberschüssen läßt sich für alle Profile eine ähnliche Massensumme ableiten. Ziel der Entwicklung des 3D-Modells ist es, regionale Effekte einer Plume-Aktivität zu erfassen. Daher fehlen im Modell lokale Informationen über Dichteverteilungen innerhalb der Lithosphäre. Beispielsweise zeigte die Seismik in Kap. 5.3. südlich der Inseln eine höhere Mächtigkeit der Kruste als nördlich der Inseln. Dieser Effekt ist aber vermutlich lokal und wird ferner durch Sedimentablagerungen zusätzlich verfälscht. Diese sind hier in die Kruste mit einbezogen worden, ohne ihnen eine gesonderte Dichte zuzuweisen, da dies im 3D-Modell aufgrund der nicht vorhandenen Information der Sedi-mentverbreitung ebenfalls nicht geschieht. Solche Effekte verursachen insbesondere geringfügige Abweichungen von der in Abb. 74 eingetragenen gestrichelten Linie, der Bezugsmasse.
Geht man von einer Plume-Mächtigkeit von 125 km aus, wobei der Plume eine gegenüber der Umgebung um -0,02 g/cm3 reduzierte Dichte aufweist, und bildet aus diesen Werten das Produkt, so erhält man als Ergebnis 2,5 km g/cm3. Das gleiche Ergebnis folgt aus der Multiplikation des Wertes für die Amplitude der topographischen Anomalie von 1,5 km (vgl. Abb. 53b) mit der Dichtedifferenz von 1,67 g/cm3 zwischen einer mittleren Dichte für die obere Kruste und der Wasserdichte. Diese Abschätzung zeigt bereits, daß zu erwarten ist, daß das Modell im großen und ganzen isostatisch ausgeglichen sein sollte.
Alle vier Profile zeigen mit Ausnahme der auf Störungen von außerhalb zurückführbaren Effekte einen ähnlichen Verlauf der Massenbilanz. Systematische Abweichungen der Massensumme von der Bezugsmasse, die mit Teilen der Modellstruktur oder dem Verlauf der regionalen Bathymetrie im Schwellenbereich korrelierbar sind, können nicht festgestellt werden. Daher zeigt das gesamte Modell im regionalen Sinne eine starke Tendenz zum isostatischen Ausgleich. Dieses Ergebnis bestätigt somit die oben genannte Abschätzung.
Abb. 74. Massensummation bis in 200 km Tiefe für eine isostatische Be-
trachtung des 3D-Modells anhand ausgewählter Profile.
a. Profil y = 0 (Hot-Spot-Zentrum),
b. Profil y = 400 km, die Lage dieses Profils entpricht der
Lage des Profils von Watts et al. (1985) in Kap. 5.3. für
die Krustenmodelle,
c. Profil y = 1500 km stromabwärts, wo der Plume-Einfluß abge-
flaut ist,
d. Profil y = 2400 km, wo auch der Einfluß der alterierten Li-
thosphäre rückläufig ist. Die gestrichelte Linie markiert
ungestörte Bedingungen, die in 1000 km Entfernung beider-
seits der Schwellenachse angenommen werden (Normierung).
Neben den bereits genannten Ursachen für die geringfügigen Abweichungen der Massensumme von der Bezugsmasse lassen sich noch folgende anführen. Aus modelliertechnischen Gründen (Definiton von Polygonen im IGAS-Programmsystem (vgl. Götze und Lahmeyer, 1988)) treten "eckige" Körpergeometrien auf. Da die regionale Bathymetrie nach Abb. 53b im mathematischen Sinne analytisch ist, kommt es dadurch an Übergangszonen von einem Körper zum anderen, wobei sich die Körper durch einen Dichtekontrast unterscheiden, zu Anomalien in der Massenbilanz, sofern die Grenzfläche zwischen diesen Körpern nahezu senkrecht steht. Auf diesen Effekt sind diejenigen Abweichungen der Massenbilanz von der Bezugsmasse in Abb. 74 zurückzuführen, die im Bereich des Wechselns der Körper in horizontaler Richtung liegen. Diese Abweichungen zeichnen sich durch ein lokales Maximum/Minimum mit benachbartem Minimum/Maximum (je nach dem, ob von Material höherer Dichte abrupt zu Material niederer Dichte oder umgekehrt übergegangen wird) aus. Auf diese Weise erklären sich z. B. die Anomalien bei Abb. 74b.
Nach Walcott (1970b) spielen sich auf Kontinenten isostatische Ausgleichsbewegungen innerhalb von Zeiträumen einer Dimension von tausend bis zehntausend Jahren ab. Da es keinen Grund gibt, daß dies auf ozeanischer Kruste anders ist, sollte nicht nur ein Vulkangebäude (vgl. Kap. 5.1.) praktisch kurz nach seiner Entstehung kompensiert sein, sondern auch die gesamte Schwelle. Insgesamt haben dies die Ergebnisse aus der Massensummation bestätigt. So zeigt sich, daß zum einen die Effekte aus der Biegung der Kruste durch die Vulkanauflast und zum anderen die Effekte aus alterierter Lithosphäre und Plume regional isostatisch ausgeglichen sind.
Es sei hier nochmals hervorgehoben, daß das gesamte Hot-Spot-System dieser Modellentwicklung, bestehend aus der Schwelle mit der Kruste, der alterierten Lithosphäre und dem Mantel Plume, unter Einbeziehung von möglichen Auftriebseffekten regional im isostatischen Gleichgewicht ist. Dieses Modell ist kein endgültiger Beweis, daß dieser Zustand in der Natur so verwirklicht ist. Es sei betont, daß die Isostasie keine Randbedingung bei der Modellentwicklung war, sondern sich das Schlußmodell als isostatisch erwiesen hat. Es lassen sich sicher Massenkonfigurationen finden, die von der Isostasie abweichen, aber trotzdem mit dem Schwerefeld vereinbar sind. Dann müßten diese aber auch mit dem Netz der oben entwickelten Randbedingungen kompatibel sein. Ein Modell im isostatischen Gleichgewicht ist sicher nach den oben erwähnten schnellen Ausgleichsbewegungen vernünftig. Hinzu kommt, daß die Hawaii-Schwelle weitab von Plattengrenzen liegt und somit die Ausgleichsbewegungen nicht von starken regionalen tektonischen Spannungen gestört werden. Die hier gemachten Aussagen über die Isostasie mögen für einen "reifen", weitab von Plattengrenzen liegenden Hot Spot richtig sein. Wie die Verhältnisse bei einer Wechselwirkung mit einer Plattengrenze oder bei der Initialphase nach dem Starting-Plume-Modell (vgl. Kap. 2.2.2.1.) mit sehr intensivem Vulkanismus aussehen, müßte untersucht werden.
9.3. Schlußfolgerungen und Ausblick
Die Schwellenursache und damit die Ursache des Hot Spots von Hawaii läßt sich vereinfacht folgendermaßen als Ergebnis der 3D-Dichtemodellierung zusammenfassen:
Ein Mantel Plume wirkt als anomale Asthenosphäre auf die Lithosphäre ein. Die Lithosphäre wird dadurch beeinflußt. Eine solche wie auch immer geartete (chemisch und /oder physikalisch-thermisch) Plume-Lithosphären-Wechselwirkung kann durch alterierte Lithosphäre (metasomatisch veränderter lithosphärischer Mantel nach Kap. 7.1.2.) ausgedrückt werden. Weiterhin kommt es zur Formation von Vulkanismus an der Oberfläche. Dieser führt seinerseits wieder zu einer Beanspruchung der Lithosphäre im Sinne der Balkentheorie durch die vulkanische Auflast. Somit bestimmt die Superposition dreier Effekte, die aber letzendlich auf die gemeinsame Ursache eines wirkenden Mantel Plumes zurückführbar sind, die Struktur der Mantel-Plume-Hot-Spots, insbesondere Hawaii. Jedoch führt hier die Plattenbewegung zu einer exzentrischen Plume-Einwirkung auf die Lithosphäre.
Die Form der Mantel-Plume-Hot-Spot-Struktur ist komplex und zeitabhängig. Diesen Sachverhalt zeigt auch Abb. 40c in Kap. 5.4.1. Das entwickelte 3D-Modell stellt in diesem Sinne lediglich eine Momentaufnahme der zeitlichen Entwicklung eines Mantel Plumes dar. Der durch das Modell repräsentierte Prozeß stellt sich folgendermaßen dar:
1. Phase: Mantel-Plume-Material steigt auf.
2. Phase: Das Mantel-Plume-Material gelangt an die Lithosphären-
basis und breitet sich nach allen Seiten hin aus und
bildet dabei auch abwärts gerichtete Strömungen aus.
3. Phase: In Form der lokalen Plume-Lithosphären-Wechselwirkung
kommt es kurzfristig zu Vulkanismus über dem Mantel-
Plume-Aufstiegszentrum.
4. Phase: Die Vulkangebäude führen zu einer Beanspruchung (Durch-
biegung) der Kruste im Sinne der Balkentheorie. Dabei
kann es zu einer zusätzlichen Schwächung mit erhöhter
Schmelzenbildung kommen.
5. Phase: Die andauernde Einwirkung des Mantel Plumes auf die
Lithosphäre führt zu einer langfristigen Veränderung der
Lithosphäre, der regionalen Plume-Lithosphären-Wechsel-
wirkung, über dem Bereich des Mantel Plumes.
6. Phase: Bedingt durch die Bewegung der pazifischen Platte rela-
tiv zum Mantel Plume kommt die maximale regionale Plume-
Lithosphären-Wechselwirkung erst "stromabwärts" zustan-
de.
7. Phase: Der Effekt aus einer Plume-Lithosphären-Wechselwirkung
mobilisiert in der Kruste vorhandene Bruchsysteme. Da-
durch kommt es zu verschiedenen Stärken des Vulkanismus.
Dieser Einfluß betrifft sowohl den Bereich des Zentral-
vulkanismus als auch größere Vulkangebäude stromabwärts.
8. Phase: Der Einfluß des Plumes geht mit zunehmender Entfernung
vom Hot Spot zurück.
9. Phase: Erst wenn keine Einflüsse aus der Asthenosphäre die re-
gionale Plume-Lithosphären-Wechselwirkung mehr unter-
stützen, schwächen sich auch die Plume-Lithosphären-
Wechselwirkungs-Effekte ab.
10. Phase:Zurück bleiben die Spuren des Hot Spots bei sich bewe-
gender Platte und die durch die beiden Formen der Plume-
Lithosphären-Wechselwirkung veränderte Lithosphäre.
Abschließend können die nachfolgenden Aussagen, die den gegenwärtigen Zustand der Hot-Spot-Tätigkeit beschreiben, aus der Bestimmung eines 3D-Dichtemodells für die Mantel-Plume-Hot-Spot-Struktur von Hawaii gegeben werden:
1. Die Existenz eines Mantel Plumes, der empirisch gefordert und in zahllosen theoretischen Arbeiten behandelt wurde, konnte zwar nicht endgültig nachgewiesen werden, aber dafür konnten neben den tomographischen Ergebnissen, die die Abb. 23 vorstellte, weitere Hinweise für eine solche Struktur gefunden werden. Die langwellige Bouguerschwere nach Abb. 52 kann durch das Vorhandensein eines Mantel Plumes, der mit der Lithosphäre wechselwirkt, erklärt werden. Der Mantel Plume trägt zu einer massiven regionalen Schwereanomalie bei (vgl. Abb. 43).
2. Im oberen Teil des Sublithosphärenpilzes liegt sicherlich eine geringere Dichte durch z. B. partielle Schmelzen nach Li und Spohn (1991) als in den tieferen Bereichen. Da jedoch auch der Auftriebsmechanismus von Dichteunterschieden getragen werden muß, kann davon ausgegangen werden, daß der Plume im Mittel einen relativen Dichtekontrast von -0,02 g/cm3 zur Umgebung jeweils gleicher Tiefe durch adiabatischen Aufstieg aufweist.
3. Der Mantel Plume unter dem Hot Spot von Hawaii ist durch eine Überlagerung mit einer westnordwestwärts gerichteten Strömung gekippt. Seine äußere Form wird entgegen der Strömungsrichtung der umgebenden Materie durch die von Sleep (1990) eingeführte sogenannte "stagnation streamline" bestimmt. In Strömungsrichtung verliert sich die Mantel-Plume-Struktur an der Basis zur Lithosphäre sowohl in der Mächtigkeit als auch in der Breite. Die Strömung selbst kann dabei sowohl aktiver asthenosphärischer Natur sein als auch als Folge der Plattendrift passiver Natur sein. Im passiven Falle wäre die Strömung durch den "slab-pull und ridge-push"-Effekt (Plattensog und Rückendruck der Lithosphärenplatten, vgl. Kap. 4.2. oder Fowler (1990)) zu erklären.
4. Der Mantel Plume ist vermutlich kein kompakter Körper. Vielmehr existiert ein sublithosphärischer Bereich, in dem Strömungen asthenosphärischen Materials verminderter Dichte stattfinden. Die Strömungen sind im Zentrum aufwärts und an den Rändern tendenziell abwärts gerichtet. Außerdem kommt es zu einer mehr oder minder chaotischen Vermischung des Plume-Materials mit der benachbarten Asthenosphäre.
5. Der direkt über dem Zentrum des Mantel Plumes liegende aktive Vulkanismus zeugt von einem schmalen Verbindungsweg zwischen Plume und Oberfläche. Die Konzentration des Vulkanismus über dem Plume wird auch durch den Mechanismus von Li und Spohn (1991) (vgl. Abb. 40a in Kap. 5.4.1.) erklärt. Die Lithosphäre wird in kürzester geologischer Zeit durchstoßen. Dies ist die Form der lokalen Plume-Lithosphären-Wechselwirkung, welche unter Kurzzeitwirkung auftritt und den abrupten Anstieg der Schwelle verursacht. Der Prozeß ist möglicherweise durch die Generation vulkanischer Schmelzen erklärbar. Diese Schmelzen können sowohl aktiv als auch passiv durch eine Schwäche der Lithosphäre infolge der Mantel-Plume-Einwirkung (z. B. durch Dekompression bedingte Schmelzvorgänge entlang ehemaliger Bruchzonen) entstanden sein. In beiden Fällen ist der Ursprungsort der Schmelzen und damit ihre geochemische Zusammensetzung gleich.
6. Die hintere Anomalie (Minimum) in der langwelligen Bouguerschwere läßt sich durch verschiedene Ursachen erklären, die durch das Modell abgedeckt worden sind. Dort liegt noch oder erneut anomale Asthenosphäre. Diese im 3D-Dichtemodell enthaltene stromabwärts gelegene Plumeverdickung kann insbesondere durch folgende Prozesse erklärt werden:
a) Nach Whitehead (1982), Olson und Singer (1985) und Olson und Nam (1986) zerfällt ein Plume, wenn dieser mehr als 30 Grad geneigt ist, in einzelne "Tropfen". Ein solcher Prozeß kann eine Plume-Tätigkeit in Schüben hervorrufen. In diesem Sinne beobachtet man stromabwärts dann die Reste einer vergangenen erhöhten Plume-Aktivität.
b) Infolge der geographischen Lage an der Kreuzung mit der Murray-Fracture-Zone (vgl. Abb. 33 in Kap. 5.2. und Wessel (1993)), kann es zu einer Lithosphären-Plume-Wechselwirkung gekommen sein: Eine durch einen vorübergezogenen Mantel Plume bereits alterierte (geschwächte) Lithosphäre wechselwirkt mit der Asthenosphäre und führt zu Dekompression und damit erneuter Dichteerniedrigung des Materials.
c) Die Plumeverdickung stromabwärts wird durch in die Tiefe absinkende Plume-Masse erzeugt. Eine solche Strömung wird in Abb. 40c angedeutet.
d) Möglicherweise liegt sogar eine Superposition der Prozesse a), b) und/oder c) vor. Sehr wahrscheinlich ist eine Superposition des Effektes einer zeitverschobenen regionalen Plume-Lithosphären-Wechselwirkung mit der durch die Murray-Fracture-Zone gestörten Lithosphäre.
7. Die regionale, langwellige negative Bouguerschwere kann im hinteren Teil nicht von einem Plume unterstützt sein. Daher nimmt der Bereich alterierter Lithosphäre große Dimensionen dort ein, um einen Mechanismus für die Schwellenursache im stromabwärts gelegenen Bereich zu finden. Eine weitere Erklärung stellt eine Langzeit-Wechselwirkung von Plume und Lithosphäre dar. Diese in längeren Zeiträumen wirkende regionale Plume-Lithosphären-Wechselwirkung kommt aufgrund der pazifischen Plattenbewegung räumlich versetzt zum Zentrum des Mantel Plumes zu ihrer maximalen Auswirkung. Diese Plume-Lithosphären-Wechselwirkung hält solange an, bis der Bereich anomaler Asthenosphäre keine weitere Energie zuführen kann. Erst dann kommt es zu einem teilweisen Abklingen der Effekte. Die Temperatureffekte verschwinden noch weiter stromabwärts durch Auskühlen. Mögliche Effekte, die erhalten bleiben, sind irreversible chemische Veränderungen, die als Folge der regionalen Plume-Lithosphären-Wechselwirkung auftreten.
8. Die Lithosphäre scheint keineswegs nur durch eine horizontale Lagerung aufgebaut zu sein wie mögliche chemische Veränderungen nach dem Durchzug von Plume-Lithosphären-Wechselwirkungs-Effekten zeigen. Vielmehr durchziehen allein den Pazifik viele Seamount-Ketten, so daß von einem wesentlich komplexeren Aufbau der ozeanischen Lithosphäre ausgegangen werden muß.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen gelten in ihren Einzelheiten für den Mantel-Plume-Hot-Spot von Hawaii. Jedoch sind hieraus wichtige Konsequenzen für andere Mantel-Plume-Hot-Spots zu ziehen. Es hat sich gezeigt, daß ein Mantel-Plume-Hot-Spot-System aus dem Mantel Plume in der Asthenosphäre und einem der regionalen Plume-Lithosphären-Wechselwirkung zugeschriebenen Bereich in der Lithosphäre besteht. Die Auswirkungen der Plume-Lithosphären-Wechselwirkung jedoch hängen in starkem Maße von der Relativbewegung von Mantel Plume und darüberliegender Platte ab. Durch die Plattenbewegung werden bei Hawaii die Effekte durch die direkte Plume-Einwirkung (Vulkanismus im Hot-Spot-Zentrum) und die Effekte der Plume-Lithosphären-Wechselwirkung räumlich und zeitlich getrennt. Dies führte im Falle Hawaiis zu einer exzentrischen Anordnung von alterierter Lithosphäre und Mantel Plume.
Bei langsamer Plattenbewegung sollte dies nicht so sein. Einen solchen Fall stellen die Kanarischen oder die Kapverdischen Inseln dar. Möglicherweise ist gerade wegen der Plattenbewegung bei Hawaii nach von Herzen et al. (1989) keine nennenswerte Wärmeflußanomalie im Gegensatz zu den Kapverdischen Inseln (Courtney und White, 1986) meßbar. Liegt somit anstelle von Hawaii ein Hot Spot vor, der auf einer sich kaum oder gar nicht relativ zur Asthenosphäre bewegenden Platte liegt, treten die lokale und die regionale Plume-Lithosphären-Wechselwirkung nicht mehr räumlich getrennt voneinander auf. Vielmehr fallen sie dann zusammen. Der Vulkanismus wird nicht mehr wie bei Hawaii außerhalb der Zone der größten regionalen Veränderung der Lithosphäre liegen, sondern mittendrin. Da eine Lithosphäre, die unter fortwährendem Plume-Einfluß (metasomatisch) verändert wird, für den Vulkanismus durchlässiger würde, kommt es zu einer vulkanischen Tätigkeit, die nicht mehr auf ein zentrales Gebiet beschränkt ist. Es ergeben sich Ansammlungen von großen Vulkangebäuden. Möglicherweise ist auf diese Weise der breiter gestreute Vulkanismus der atlantischen Mantel-Plume-Hot-Spots der Kanaren, der Kapverden und der Azoren zu erklären.
Die Kanarischen Inseln etwa weisen rezent aktiven Vulkanismus sowohl auf Lanzarote im Osten als auch auf Teneriffa (Pico de Teide) im Zentrum als auch auf La Palma im Westen des Archipels auf. Die westlicheren Inseln befinden sich noch im Aufbau, die östlicheren Inseln, insbesondere Lanzarote und Fuerteventura jedoch im Abbau. Letztere weisen keinerlei hohe Topographie auf im Gegensatz zu den übrigen Inseln. Der Vulkanismus mag alten Störungszonen folgen. Aufgrund der sehr geringfügigen Relativbewegung von Mantel Plume und afrikanischer Platte, auf der der Hot Spot der Kanaren liegt, kommt es im Westen zur Neubildung vulkanischer Aktivität. Diese klingt aber im Osten noch nicht so schnell ab wie auf Hawaii, da hier noch immer durch die Nähe des vermuteten Mantel Plumes die regionale Plume-Lithosphären-Wechselwirkung wirksam ist. Entlang der einmal aufgebauten Schwächezonen kommt es daher fortwährend immer mal wieder zu Vulkantätigkeiten auch im Osten des Archipels. Außerdem dürfte auch unter dem östlichen Teil des Archipels aufgrund der regionalen Größe des Mantel Plumes noch anomales Asthenosphärenmaterial vorhanden sein.
Würde ein derart massiver Mantel-Plume-Hot-Spot wie der von Hawaii im Bereich einer sich kaum bewegenden Platte liegen, käme es zu wesentlich größerer vulkanischer Tätigkeit. In diesem Falle wäre der Verbrauch von Energie für ständig neue Förderkanäle, wie es bei Hawaii infolge der Plattenbewegung durch die Verlagerung des Mantel Plumes zur Plattenlokation der Fall ist, nicht nötig und stünde voll der vulkanischen Tätigkeit zur Verfügung. Möglicherweise sind in diesem Sinne Mantel-Plume-Hot-Spots, die zu Rifting-Prozessen führen, zu erklären.
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