Straßenwelten aus Straßenkreide im Matchbox-Auto-Maßstab
entstanden früher jahrelang auf den heimischen Hofplatten.

Straßenwelten

Peter nimmt sein Leben synästhetisch als Reise auf einer Straße durch Landschaften wahr. Über diese Wahrnehmung transportiert er Gefühle. Außerdem speichert und ruft er so seine Erinnerungen ab. Straßen sind auch das Thema seiner Zeichnungen, Bilder und Fotos - seine Straßenwelten.

Zu den Straßenwelten und den Straßen der Welt gehören selbstverständlich auch besonders interessante Straßenschilder.

Seine gezeichneten Straßenwelten weisen für Außenstehende verborgene Regeln und Gesetzmäßigkeiten auf. Die Welt der Straßen und die Straßen der Welt faszinieren ihn seit frühester Kindheit.

Straßen vernetzen die Vielfalt. Straßen fördern den Austausch und geben Struktur. Straßen verbinden unterschiedlichste Landschaften und Kulturen.

Wenn er von der Schule nach Hause kam, tauchte er in seine Welt ein. Da entspannte er sich oft stundenlang beim Zeichnen von Straßenlandschaften. Dabei spielte er immer dasselbe Lied: "Am Fenster" von "City". Auch seine Schulbücher sind voller Straßen. Langweilige Schulstunden erhielten so eine greifbare Struktur in seiner Gedankenwelt.



Straßenwelten: Autobahnen und Schienen mit roten und blauen Routen.
Nicht nur im Sandkasten baute er seine Straßen, sondern auch auf den Betonplatten des elterlichen Hofes malte er mit Kreidesteinen Straßennetze, die es erlaubten, seine Matchbox-Autos darin fahren zu lassen. Solche Straßenwelten sind ein Prozess, dessen einzige Beständigkeit die Unbeständigkeit ist. So sorgte auf dem Hof vor allem der Regen für das Ende und den Anfang einer neuen Zeichnung zugleich.



Straßenwelten in Form von Autobahnen schmücken
das Titelblatt des JAPEL, eine Sammlung von Strate-
gien zur Lebensbewältigung aus dem Jahre 1984.
Die Straßen der Welt faszinieren ihn bis heute. Je mehr Meilen eine Strecke hat und je länger die Reise dauert, desto durchdringender und (ent-) spannender ist das Erleben. So durchquert er gerne ganze Kontinente auf dem Landweg, einfach nur um zu erleben, was denn hinter der nächsten Kurve kommt.

Früher wurden seine Straßenwelten von Bekannten und Lehrern in der Schule belächelt. Heute faszinieren sie auf einmal Besucher von Autismus-Kongressen, GEO-Redakteure (siehe Ausgabe 03/2010, Seite 107) und besonders auch die Verantwortlichen von akku, einer Initiative zur Darstellung von Kunst und Kultur autistischer Menschen. Denn die Straßenwelten gelten als klassischer Ausdruck autistischer Wahrnehmungsverarbeitung und Spezialinteressen. Und sie gelten auf einmal als Kunst. So sind seine Straßenwelten nun auch Teil der Ausstellung "Ich sehe was was du nicht siehst", die 2010 in der Kasseler documenta-Halle zu sehen war und noch bis Januar 2011 in der Kunsthalle Faust in Hannover zu sehen ist.



Straßenwelten auf dem Plakat zur Ausstellung
in der Kunsthalle Faust
Am Beispiel des Interesses an Straßen von Dr. Peter Schmidt lässt sich auch der oft auch von Fachkräften nicht verstandene Unterschied zwischen einem Spezialinteresse im Sinne einer autistischen Diagnostik und einem intensiv betriebenen Hobby festmachen. So wie sich Peter mit Straßen beschäftigt, handelt es sich um ein klassisches Spezialinteresse. Obwohl es allbestimmend ist, sind Straßen für ihn allerdings kein Hobby im Sinne einer Lieblingsbeschäftigung. Seine unabhängig zu diesem Spezialinteresse korrespondierenden Hobbys sind zum Beispiel Reisen, Autofahren, Zeichnen, Fotografieren, aber auch Interessen an Vulkanen, Erdbeben und der Astronomie.

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