Auf dem Landweg durch Afrika Teil 1

FINSTERNIS-COUNTDOWN AUF DEM SAVANNAH HILL

- Schwarzafrika im Banne der schwarzen Sonne -

Das Timing einer ohnehin seit Jahren geplanten Sambia-Tansania-Reise haben meine Frau und ich so gelegt, dass es uns möglich wurde, unsere zweite totale Sonnenfinsternis zu erleben. Und dieses Erlebnis war ganz anders als vor zwei Jahren in Deutschland, wo wir bei Bad Bergzabern zu den wenigen Glücklichen zählten, ein solches Ereignis auch von Deutschland aus zu genießen. Diesmal sorgte der azurblaue, wolkenlose Himmel für eine bilderbuchartige totale Sonnenfinsternis. Weitere astronomische und geologische Highlights sollten auf unserer abenteuerlichen Reise auf dem Landweg von Victoria Falls nach Nairobi noch folgen. Hier unser Report:

Unsere Reise startet in Hannover, via Amsterdam und Nairobi geht es straightforward nach Lusaka, Sambia. Während auf dem Flug von Hannover nach Amsterdam keine weiteren Fluggäste offenkundig zur Solipse (Solar Eclipse) wollen, sind es schon einige Dutzend im Flieger von Amsterdam nach Nairobi. Am Gate 8 auf dem Airport von Nairobi, wo der Weiterflug mit Kenya Airways nach Lusaka startet, scheinen die Solipse-Touris mit ihren Kamera- und Teleskop-Ausrüstungen wie Celestron und Co. die Maschine für sich beanspruchen zu wollen. Und das mehr als fünf Tage vor dem Tag der Solipse...

Dass Lusaka total ausgebucht sein soll, können wir nicht bestätigen. Wir gehören zu den Mutigen, die ohne Hotelreservierung aufgebrochen sind. Und das ist richtig so! Zunächst brechen wir von Lusaka nach Livingstone auf, um die Victoria-Fälle direkt nach der Regenzeit, am Anfang der Trockenzeit, wenn das meiste Wasser dort in die Tiefe stürzt, zu erleben. Es war bereits 1995, als wir erstmalig kurz in Sambia waren, damals waren wir von Kapstadt via Namibia nach Vic Falls, Simbabwe, inklusive einem Abstecher auf die sambische Seite der Fälle gekommen. Und damals waren wir am Ende der Trockenzeit, im Oktober, da. Welch ein Unterschied! Mehr Wasser sehen und erleben kann man sicherlich am Beginn der Trockenzeit unmittelbar nach der Regenzeit, aber mehr Wasserfall sehen kann man / konnten wir zweifelsohne am Ende der Trockenzeit!

In Livingstone campieren wir bei Jolly Boys. Dort erfahren wir von der Existenz einer tollen Camping-Möglichkeit inmitten der Natur inmitten der City von Lusaka, so dass wir uns kurzerhand entschlossen, das zwischenzeitlich nach der Ankunft vor Ort reservierte Hotel nicht zu nutzen. Cha Cha Cha Backpackers, eine grüne Cityoase mit tropischen Gewächsen wie Mangobäumen und Palmen und kleinem Swimming-Pool, wird für uns ein richtig tolles Sofi-Camp! Hier warten wir zwei Tage lang zusammen mit einigen Dutzend anderen gleichgesinnten Overland-Abenteurern und Hobby-Astronomen auf den 21. Juni, dem Tag der totalen Sonnenfinsternis.

Seit Tagen nun erstrahlt der Himmel über dem Camp in Sambia wolkenlos in tiefstem Blau. Hoffentlich bleibt das so, die Hoffnung aller Anwesenden. Und es bleibt so, keine Jagd nach der schwarzen Sonne wird diesmal erforderlich. Am Morgen des 21. Juni testen wir unsere Sofi-Brillen, wobei wir dann etliche bereits problemlos mit bloßem Auge sichtbare Sonnenflecken auf der Sonenscheibe entdecken. Obwohl unser Cha Cha Cha Camp am Nachmittag mit drei Minuten und 16 Sekunden Totalität rechnen kann, macht sich jeder auf, einen erhobenen Standort in der afrikanischen Savanne nahe der Zentrallinie aufzusuchen. Jeder hatte da seine individuellen Vorlieben.

Wir, meine Frau und ich, organisieren uns für die entscheidenden Stunden ein Taxi. Unseren Sofi-Beobachtungsstandort wählen wir entlang der Great North Road zwischen Lusaka und der Stelle mit der längsten Totalitätsdauer aus. Als einer der besten Beobachtungspunkte "qualifiziert" sich schließlich der "Savannah Hill", zweihundert Meter östlich der Straße und ca. 20 km nördlich von Lusaka. Zu dem gleichen Ergebnis kommen auch einige eingereiste Hobby-Astronomen und viele, aber nicht zu viele Einheimische. Immer mehr kommen sowohl aus der Stadt als auch aus den umliegenden Strohhüttendörfern der Buschsavanne hinzu. Am Ende sammelt sich eine weit über den Savannah Hill verstreute Gruppe von etwa einigen hundert Leuten an. Die Buschlandschaft versteckt die allermeisten von ihnen so gut, dass man durchaus sich allein fühlen kann.... Doch der Busch hat diesmal sehr viele Augen!

Einige Teleskope und Kameras ausländischer Besucher sind an geeigneten Stellen montiert, um das kommende Ereignis in voller Länge sowohl zu beobachten als auch aufzunehmen. Eine aufkommende Geräuschkulisse kündigt den Beginn des Schauspiels an: der erste Kontakt, der Mond hat die Sonne "angeknabbert"! An unserem Standort sind die allermeisten Beobachter mit ordentlichen Sofi-Brillen ausgestattet. Voller Spannung und sichtbarer Begeisterung verfolgen die Menschen die nun schnell zunehmende Verfinsterung der Sonne. Neben den Menschen verleiht das allgegenwärtige mannshohe Elefantengras und das aus vielen Abenteuerfilmen bekannte intensive Grillengezirp dem Ereignis die nun unverwechselbare richtige afrikanische Stimmung. Dazu trägt auch die allgemeine Lagerfeuerstimmung mit Mosi-Bier, einem sambischen Gebräu, das sogar deutschen Ansprüchen standhält, bei.

Nach etwa einer halben Stunde beginnt das Licht, fahl zu werden. Eine bläulich schimmernde schale Beleuchtung legt sich immer tiefer und dunkler werdend über das Land. Die menschlichen Augen gleichen die zunehmende Dunkelheit erstaunlich gut aus, zu erkennen ist die Zunahme mit aller Deutlichkeit an der Belichtungsmessung des Fotoapparates: Für die Aufnahme der Menschen werden immer längere Belichtungszeiten und/oder offene Blenden erforderlich. Wir sind auf der Südhalbkugel auf mehr als tausend Meter Höhe über Normalnull. Es ist Trockenzeit. Bei etwa 85%iger Verdeckung der Sonne durch den Mond beginnt es auf einmal deutlich kühler zu werden. Leider haben wir keine Jacken dabei, sind nur im T-Shirt bekleidet. Von etwa 24 Grand Celsius fällt die Temperatur bis zum Ende der totalen Finsternis schließlich um mehr als vier Grad Celsius ab.

Die Verdunkelung schreitet immer schneller voran, aber noch immer ist es nicht möglich, einen direkten Blick zur nach wie vor für die Augen scheinbar voll strahlenden Sonne zu richten. Nur durch die Sofi-Brillen wird klar: noch wenige Minuten bis zum Höhepunkt. Die noch immer verkehrenden Lastwagen auf der Great North Road fahren nun bereits mit Scheinwerferlicht und sind daher weit sichtbar! Das Ereignis wird mehr und mehr bejubelt, je dunkler es nun wird. Dann, auf einmal zeigt sich das "Abendmorgenrot" über dem südlichen und nördlichen Limit der Totalitätszone von Westen heranrasend: der Mondschatten! Am Himmel besticht nun der Diamantring und die Perlenschnur sekundenlang.

Und dann wird der Jubel der Menschen immer lauter. Überall intensiver Szenenapplaus und spontane Standing Ovations für das Naturschauspiel: die Totalität tritt ein! Der Jubel steigert sich erneut, um dann aber zügig zunehmender Stille und Geflüster zu weichen. Das Finale! Dunkelheit wie bei einer Vollmondnacht ringsherum. Auch der allerletzte Verkehr auf der nahen Great North Road kommt nun vollends zum Stillstand. Jeder, der in Sambia irgendwo sich jetzt in der Totalitätszone aufhält, wird unweigerlich Zeuge der totalen Sonnenfinsternis. Keiner kann sich mehr dem Naturschauspiel entziehen.

Gestochen scharf werden wir alle nun von der totalen Sonnenfinsternis beschienen. Die Korona sieht sehr stachelig aus. Nach allen Seiten radiale Strahlen mit einer fast zweifachen Länge des scheinbaren Sonnendurchmessers lassen die verfinsterte Sonne seeigelartig in den Himmel stechen. In der engeren Umgebung der Sonne gibt der nun wie in einer Vollmondnacht sichtbare stahldunkelblaue Himmel den Blick auf den Planeten Jupiter frei. Merkur stand diesmal recht weit weg von der Sonne, tief im Westen. Er war morgens in den letzten Tagen viel besser beobachtbar. An unserem Standort dauert das totale Finsternis-Spektakel nun gut dreieinhalb Minuten. Der Anblick der Korona mit ihrem großen "Schwarzen Loch" in der Mitte prägt nachdrücklich und intensiv: Momente im Leben, von denen wir lebenslang zehren werden können! Momente in der Zeit, die wir zusammen haben dürfen, die unvergesslich und vor allem voller unverwechselbarer, bizarrer Romantik sind!

Dreieinhalb Minuten, die diesmal viel zu schnell vorbeigehen. Man hat das Gefühl, viel zu wenig Zeit zu haben, alle Besonderheiten genauestes zu beobachten. So möchte man einerseits einfach die wenigen Minuten nur genießen, andererseits aber auch fotografieren, mit dem Fernglas Details wie Protuberanzen genauer anschauen usw. Mit dem ersten Sonnenstrahl, der wieder den Weg zum Savannah Hill auf der Erde vorbei an der Mondkugel, findet, geht die Aufmerksamkeit von der seeigelartigen Korona wieder auf die Perlenschnur und den Diamantring über. Die Totalität ist bereits vorüber, doch auch die ersten Sekunden danach sind angesichts der optimalen Beobachtungsbedingungen einzigartig! Nach und nach setzt sich dann bei den meisten Sofi-Beobachtern die "Nun-ist-alles-leider-schon-vorbei"-Stimmung durch: sie wandern ab.

Es kommt uns irgendwie vor wie Weihnachten: die lange spannende Zeit des Wartens und der Vorfreude ist schlagartig vorüber, das Geschenkpapier ist aufgerissen, das Geschenk enthüllt! Nur die astronomisch tiefer Interessierten und einige Mosi-Bier-Freunde verbleiben auf dem Savannah Hill, um das Ereignis nun in voller Länge bis zum vierten Kontakt ausklingen zu lassen. Mit der zunehmenden Einstrahlung wird es dabei auch endlich wieder wärmer! Gegen Ende der partiellen Phase der Sonnenfinsternis nimmt die Zahl der Mosi-Bier geschädigten Sofi-Fans allerdings auffällig zu. So verlassen wir den Savannah Hill etwa zwanzig Minuten nach dem vierten Kontakt wieder Richtung Lusaka. Wieder im Cha Cha Cha Backpackers Sofi-Camp angekommen, werden die individuellen Sofi-Erblebnisse und die weiteren Reisepläne ausgetauscht. Nur wenige haben sich wie wir noch eine lange Überlandroute voller Abenteuer vorgenommen.

Schon am nächsten Tag erreichen wir Malawi. Von dort finden wir nach einigen Tagen im Granitkuppelbergland (tropischer Regenwald hier) und an den Ufern des Malawi-Sees den Weg in die Vulkanberglandschaft von Rungwe in Südtansania. Hoch oben saftig grüne Teeplantagen, tief unten bei Mbeya dann wieder die verdorrte Landschaft der Trockensavanne. In dieser Gegend wartet das nächste astronomische Highlight auf uns. 65 km südlich von Mbeya, in der Gemeinde Mbozi, besuchen wir eine lange Zeit tabuisierte Gegend um einen seltsamen, metallisch glänzenden und tonnenschweren Gesteinsklumpen. Wir stehen vor dem im Buschland niedergegangenen Mbozi-Meteorit.

Der Mbozi-Meteorit wird selten von Touristen besucht, für Geowissenschaftler auf dem Überlandweg quer durch Afrika ist er jedoch ein Muss. Immerhin ist es nach meinem Wissensstand der achtgrößte Fund der Welt, 12 Tonnen wiegt der Koloss auf dem Südwesthang des Marengi Hill. Damit ist er zwar wesentlich kleiner als der 60 Tonnen wiegende Hoba-Meteorit von Namibia, den wir sechs Jahre früher ebenfalls besucht haben, aber dennoch ist Mbozi sehenswert. Mbozi besteht aus 90% Eisen und 9% Nickel, das restliche Prozent verteilt sich auf Kupfer, Schwefel und Phosphor. Der Meteorit ist auf einer 13 km langen Erdpiste, ausgeschildert an der Great North Road, die Sambia und Tansania verbindet, in der Trockenzeit problemlos zu erreichen.

Nach einem Abstecher an die kokospalmengesäumte Küste nördlich von Dar Es Salaam und dem obligatorischen Besuch der Serengeti und des Ngorongoro-Kraters gipfelt unsere Tour im wahrsten Sinne des Wortes am aktiven Vulkan Ol Doinyo Lengai.

 

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