Preview-Bericht von Dr. Peter Schmidt (April 2010)
Im April hatte ich die Gelegenheit, „My Name is Khan“ vor seinem offiziellen Kinostart zu sehen. Dieser Film ist eine außergewöhnliche Bollywood-Produktion. „My Name is Khan“ ist eine bewegende Geschichte, die Brücken zwischen den verschiedensten Normen, die es im gesellschaftlichen Leben gibt, baut. Und ist damit anspruchsvolle Gesellschaftskritik.
Der weltbekannte indische Schauspieler Shahrukh Khan spielt unter der Regie von Karan Johar die Hauptfigur des Rizvan Khan, der das Asperger-Syndrom hat. Mit Kajol, einer weiteren bekannten Schauspielerin aus Bollywood an der Seite von Shahrukh Khan, tritt das Movie-Traumpaar schlechthin auf.
Der Film spielt in einem interkulturellen Umfeld bestehend aus den Normen des Islam, des Hinduismus und der westlichen Welt. Damit wirbt er für die gegenseitige Akzeptanz verschiedenartig geprägter Menschen. Rizvan Khan versucht stets friedensstiftend zwischen den ihn umgebenden interkulturellen Werten zu vermitteln, was für ihn als Autist natürlich eine besondere Herausforderung ist.
Rizvan Khan wächst als muslimisches Kind mit Asperger-Syndrom bei seiner Mutter in Mumbai auf. In seiner Kindheit und Jugend hat er mit den ganz typischen Herausforderungen zu kämpfen, die ein Leben mit Autismus so mit sich bringt. Doch zu dieser Zeit weiß niemand, warum das Kind sich so verhält wie es sich verhält.
Erst als er nach Amerika kommt, erkennt man, das Rizvan Khan autistisch ist, dass der das Asperger-Syndrom hat. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen verliebt er sich als Erwachsener in den USA in die hinduistische Mandira, gespielt von Kajol, die in San Francisco als allein erziehende Mutter lebt. Sie liebt an ihm seine offen ehrliche Art . . .
Aufgrund seines aus Sicht Außenstehender seltsamen Verhaltens und seines Namens wird Khan von den amerikanischen Behörden irgendwann verhaftet. Dabei wollte er doch nur den Präsident treffen, um etwas sehr Wichtiges klar zu stellen.
Der Film hat mich sehr bewegt. Es gibt darin viele Dinge, die mir aus eigener Erfahrung sehr vertraut vorkamen. Dazu gehören nicht nur die Erlebnisse aus der Kindheit und Jugend, sondern auch und vor allem Dinge aus der eigenen Partnerschaft und dem Leben in der Ehe mit Kindern.
Die stets auf das Geschehen abgestimmte Filmmusik hat mir sehr gut gefallen. Musik kann ein Stück weit kompensieren und damit helfen zu erkennen, was ich so nicht wahrnehmen kann. Somit ermöglichte sie mir ein ganzheitliches Erleben des Films. Die Soundtracks haben sehr geholfen, dargestellte Emotionen überhaupt zu erkennen.
Szene aus dem Film Rizvan Khan mit Mandira und ihrem Sohn
© 20th Century Fox |
Hätte ich diesen Film gesehen, ohne mich jemals vorher mit dem Thema Autismus beschäftigt zu haben, wäre ich sehr seltsam nachdenklich aus dem Film rausgegangen. Denn das, was auch mein Leben über weite Bereiche charakterisiert, das ausgeprägte Asperger-Syndrom, kommt klar und nachvollziehbar rüber. Die Gemeinsamkeiten zwischen mir und Rizvan Khan sind diesbezüglich unübersehbar.
Dennoch ist Rizvan Khan anders, auch anders als Adam, in dem ich mich ebenfalls wieder
gesehen habe, genauso wie in Michael (aus dem Film „Panik“, der im Februar 2007 über Nacht die Sicht auf mein ganzes
Leben veränderte) oder auch in Valentin. Alle diese Figuren sind unterschiedlich, zeigen damit
das autistische Spektrum. Aber in dem, was Asperger-Autismus wirklich ausmacht, sind alle Figuren gleich – inklusive mir selbst.
Gleich die Auftaktszene kam mir nur all zu bekannt vor. Flughäfen sind für mich, wenn ich Fluggast bin, die stressreichsten Orte auf dieser Welt überhaupt, wegen der dort oft vorhandenen Unübersichtlichkeit, den meist wirr durcheinander laufenden Menschenmassen, der Schlangen vor den Schaltern und nicht zu letzt wegen des allgemeinen Lärmpegels dort.
Wie Rizvan als Kind in seiner Umgebung wahrgenommen und behandelt wird, kam mir sehr bekannt vor. Und wie Rizvan wurde ich in der Schulzeit einerseits bewundert und bestaunt, andererseits wiederholt geärgert, oft habe ich dies nicht einmal gemerkt, wie ich mittlerweile nach meinem Outing vom meinen ehemaligen Mitschülern erfahren habe.
Ich habe vielfach in diesem Film gesehen, wie man auch mit mir umgegangen ist. Wie auch ich mich verhalten habe und welche Irritationen es unter meinen Mitmenschen ausgelöst hat. Mir standen mehrfach die Tränen in den Augen. Denn Rizvan ging es genauso wie mir: Auch er erfährt erst als Erwachsener, was mit ihm los ist, was ihn von seinen Mitmenschen grundlegend unterscheidet.
Auch wird die geheimnisvolle autistische Mauer deutlich, die sowohl das Wahrnehmen der Gefühle der Anderen als auch das Rausbringen der eigenen Gefühle immer wieder verschleiert.
Der Film stellt klar heraus, worauf es im Leben wirklich ankommt: Liebe, die (unabhängig davon, was der Einzelne darunter versteht) nicht nur Brücken zwischen verschiedenen Gesellschaftsordnungen und Glaubensrichtungen bauen kann, sondern die jedes Individuum in seiner Ausprägung bedingungslos akzeptiert, auch dann wenn es in seinem Verhalten deutlich von Erwartungshaltungen abweicht.
Der Film verdeutlicht insbesondere, dass nonverbale Kommunikation und damit das subtile Sozialverhalten weltweit gleich abläuft. Die zwischenmenschlichen Verhaltensweisen, die für Autisten so schwer oder gar nicht nachvollziehbar sind, sind vollkommen unabhängig von der Kultur und gesellschaftlichen Normen.
Der einzig nennenswerte Kritikpunkt an dem Film von mir ist, dass er zu viel Stoff in zu wenig Zeit erzählt. Das hat mich zeitweise überfordert. Dennoch ist es ein wegweisender, toller Film. Denn dieser Film ist ein mehrdimensionales Loblied auf die Toleranz. Es bleibt noch viel an Aufklärung zu tun, und das Thema Autismus ist Teil einer ganzheitlichen Aufgabe. Dies zu erkennen, darin liegt der tief greifende Wert dieses Films.
Mein Fazit: Ein schöner, bewegender Film, den ich nur bestens empfehlen kann!
Offizieller Kino-Start für "My Name is Khan" ist der 10. Juni 2010.
Weitere Infos zum Film und über den Inhalt und auch Trailer gibt es hier:
20th Century Fox
My Name is Khan
Jahr der letzten Site-Maintenance: 2010
Sie sind der/die
. gezählte Besucher/in!